
DEADLINE BFSG – Kurz vor 12
Barrierefreier digitaler Raum per Gesetz: Das BFSG kommt
Accessibility | Aktuell | Webseiten
Für Betreiber digitaler Plattformen und Anbieter digitaler Geräte läuft die Zeit: Ab dem 28. Juni 2025 sind zahlreiche neue Produkte, Anwendungen und Webseiten gemäß dem Gesetz zur Stärkung der Barrierefreiheit (BFSG) barrierefrei zu gestalten.
Der 28. Juni 2025 stellt eine bedeutende Herausforderung für die deutsche Wirtschaft dar. Nach einer Übergangsfrist von nahezu vier Jahren wird das Gesetz zur Stärkung der Barrierefreiheit (BFSG) in Kraft treten.
Im Jahr 2021 wurde beschlossen, die EU-Richtlinie 2019/882, die auch als European Accessibility Act (EAA) bekannt ist, in nationales Recht zu überführen. Im Falle eines Verstoßes können erhebliche Geldbußen von bis zu 100.000 Euro verhängt werden.
Weltweit sind vergleichbare Gesetze bereits implementiert. Das Ziel besteht darin, digitale Angebote für Personen mit Behinderungen und Einschränkungen zugänglich zu gestalten. Aktuelle Studien zeigen, dass über 90 Prozent der am häufigsten genutzten Webangebote nicht barrierefrei sind.
In unserem Land ist die Forderung nicht völlig neu. Um allen Personen einen gleichberechtigten Zugang zu Anwendungen, Webseiten und Fachverfahren des öffentlichen Sektors zu ermöglichen, existiert in Deutschland die Barrierefreiheit.
Seit 2002 besteht gemäß der Barrierefreien Informationstechnik-Verordnung (BITV) sowie dem Behindertengleichstellungsgesetz (BGG) eine gesetzliche Verpflichtung, diese nach einem umfassenden Kriterienkatalog barrierefrei zu gestalten. Die überarbeitete Fassung, bekannt als BITV2, ist seit 2011 in Kraft und wurde 2019 aktualisiert.
Bislang existierte in Deutschland keine gesetzliche Vorgabe zur digitalen Barrierefreiheit für die Privatwirtschaft. Mit dem Inkrafttreten des BFSG sind zahlreiche digitale Elemente verpflichtet, bestimmte Anforderungen an die Barrierefreiheit zu erfüllen. Allerdings ausschließlich solche, die sich an Endverbraucher wenden. Der Bereich Business-to-Business (B2B) bleibt vom BFSG unberührt.
Der Dschungel des BFSG
Während das BFSG den Anwendungsbereich sowie zusätzliche Verpflichtungen für Anbieter und Marktaufsichtsbehörden festlegt, präzisiert die dazugehörige Rechtsverordnung (BFSG-V) die spezifischen Anforderungen.
Die grundlegenden Anforderungen leiten sich aus der EU-Norm EN 301549 („Zugänglichkeitsanforderungen für IKT-Produkte und -Dienstleistungen“) ab, auf die BFSG und BFSG-V durch die indirekte Nennung harmonisierter Normen Bezug nehmen.
Im ersten Paragraphen des BFSG werden die „Produkte und Dienstleistungen“ aufgeführt, die unter den Geltungsbereich des Gesetzes fallen. Erwähnt werden neben Geld, Fahrkarten oder Check-in-Automaten und E-Book-Readern auch eher vage formulierte „Hardwaresysteme für Universalrechner für Endverbraucher, einschließlich der für diese Hardwaresysteme vorgesehenen Betriebssysteme“ sowie „Dienstleistungen im Bereich des elektronischen Geschäftsverkehrs“.
Die Bedeutung wird deutlicher, wenn man einen Blick auf den Paragrafen 2 wirft. Die Hardwaresysteme beinhalten somit Computer, Smartphones und Tablets.
„Dienstleistungen im elektronischen Geschäftsverkehr“ bezieht sich auf Onlineshops und umfasst gemäß der Bundesfachstelle Barrierefreiheit ebenfalls Webseiten und Anwendungen mit Terminbuchungsfunktionen, die dem Abschluss eines Verbrauchervertrags dienen. Reine Terminbuchungen zum Rückruf oder eines Gespräches zählen nicht darunter, was gerne aus Unwissenheit falsch interpretiert wird. Aber Vorsicht, wenn eine Terminbuchung oder ein Kontaktformular als „Zwischenschritt“ zu einem Vertragsabschluss zu sehen ist, kann ist die Seite ebenfalls betroffen sein. Hierzu gibt es unterschiedliche Rechtsauffassungen bei Anwälten, und Sie sollten dazu einen Fachanwalt konsultieren.
Die Fachstelle wurde im Jahr 2016 ins Leben gerufen, um das Behindertengleichstellungsrecht weiterzuentwickeln. Sie hat die Aufgabe, Behörden, Verwaltungen, die Zivilgesellschaft sowie die Wirtschaft in Angelegenheiten der Barrierefreiheit zu beraten und zu unterstützen. Sie bietet Richtlinien an, die der Wirtschaft als Orientierungshilfe im Rahmen des BFSG dienen sollen. Somit ist die Liste der aufgeführten Produkte und Dienstleistungen vollständig. Betreiber privater Webseiten oder Anwendungen, die keinen gewerblichen Zweck verfolgen, sind demnach nicht betroffen.
Webangebote und Anwendungen von Kleinstunternehmen, die weniger als 10 Mitarbeiter und einen Jahresumsatz von unter zwei Millionen Euro aufweisen, sind ebenfalls nicht betroffen! Darüber hinaus haben Unternehmen die Möglichkeit, sich auf bestimmte Ausnahmeregelungen zu berufen. Dies ist der Fall, wenn Produkte oder Dienstleistungen so angepasst werden müssen, dass sie die Anforderungen an die Barrierefreiheit erfüllen, wodurch sie als neuartige Objekte angesehen werden können. Obwohl die Beachtung der Anforderungen an die Barrierefreiheit eine unverhältnismäßige Belastung darstellen kann, ist sie dennoch von großer Bedeutung.
Wenn eine moderate organisatorische oder finanzielle Belastung vorliegt, kann ein Ausnahmefall in Anspruch genommen werden.
Für ausgewählte Produkte, wie beispielsweise Selbstbedienungster-minals, sind Übergangsfristen bis zum Jahr 2040 festgelegt. Für Geräte wie E-Book-Reader, Smartphones, Tablets, Computer oder Smart-TVs gilt, dass sie, sofern sie nach dem 28. Juni 2025 angeboten werden, die entsprechenden Anforderungen an die Barrierefreiheit erfüllen müssen. Diese beziehen sich nicht nur auf das Produkt selbst, sondern auch auf Anleitungen, Verpackungen sowie die technische Dokumentation.
Die Verpflichtung zur Reparatur für das Web betrifft ebenfalls die betroffenen Webseiten und Anwendungen, die bis zum festgelegten Stichtag grundsätzlich barrierefrei sein müssen. Ausnahmen gelten für Dokumente oder Videos, die vor dem festgelegten Stichtag veröffentlicht wurden, sowie für Inhalte Dritter, die außerhalb des Einflussbereichs des Betreibers der Webseite oder der App liegen. Des Weiteren sind Karten und Archive von dieser Regelung ausgeschlossen, sofern sie nach dem Stichtag nicht aktualisiert oder überarbeitet werden.
Die spezifischen Anforderungen für das Web basieren auf den Web Content Accessibility Guidelines (WCAG). Diese Richtlinien definieren strukturierte Kriterien in den drei Konformitätsstufen A, AA und AAA, die sich an den Prinzipien der Wahrnehmbarkeit, Bedienbarkeit, Verständlichkeit und Robustheit orientieren. Um den Anforderungen des BFSG gerecht zu werden, ist es erforderlich, dass mindestens die Kriterien der Stufen A und AA erfüllt sind. Es ist das grundlegende Ziel, sicherzustellen, dass sämtliche Inhalte von allen Nutzern wahrgenommen, verstanden und bedient werden können. Zudem soll gewährleistet sein, dass diese Inhalte auch mit Unterstützungstechnologien, wie beispielsweise einem Screenreader, zuverlässig funktionieren.
Es handelt sich hierbei um weit mehr als lediglich die Anpassung von Kontrasten oder das Hinzufügen einiger Alternativtexte. Betreiber, die sich bislang nicht mit diesem Thema auseinandergesetzt haben, sind erheblich im Rückstand. Auf der Webseite sind hilfreiche Hinweise zu finden, die erläutern, welche Maßnahmen in einem solchen Fall ergriffen werden sollten und wie rechtlichen Konsequenzen vorgebeugt werden kann [1]. Das BFSG verlangt die Erstellung einer Erklärung zur Barrierefreiheit, die als Accessibility-Statement bezeichnet wird. Es sollte von jeder Unterseite aus leicht auffindbar sein, daher bietet sich beispielsweise ein Link im Fuß Bereich der Webseite oder App an. Die Inhalte sind überwiegend festgelegt.
Es sollte erläutert werden, in welchem Maße die Webseite oder Anwendung die Anforderungen erfüllt, bestehende Hindernisse identifiziert und Möglichkeiten für Rückmeldungen sowie Kontaktangebote bereitgestellt werden. Des Weiteren sollte ein Hinweis auf die zuständige Schlichtungsstelle gegeben werden, ebenso wie das Datum der letzten Überprüfung der Barrierefreiheit, einschließlich der verwendeten Prüfmethoden. Solche Überprüfungen sollten in regelmäßigen Abständen durchgeführt werden. Automatisierte Werkzeuge wie das WAVE Accessibility Evaluation Tool liefern erste Hinweise, die jedoch durch manuelle Prüfungen ergänzt werden sollten. Es sollte überprüft werden, ob die Webseite auch ohne die Verwendung einer Maus bedienbar ist, ob die Kontraste angemessen sind, ob für Bilder Alternativtexte bereitgestellt werden, ob alle Inhalte klar strukturiert und die Elemente korrekt ausgezeichnet sind sowie ob Untertitel und Transkripte für Videos und Audiodateien vorhanden sind.
Die Beachtung der Vorgaben führt nicht nur zur Zufriedenheit der bestehenden Nutzer, die sich ebenfalls über eine durchdachte Benutzerführung freuen, sondern könnte zudem potenzielle neue Nutzer und Kunden gewinnen. Wie der Accessibility-Advocate Clive Loseby in seinem TED-Talk „Das Zugänglichkeitsproblem des Internets und wie man es beheben kann“ treffend bemerkte: „Menschen mit Behinderungen verfügen über finanzielle Mittel.“. Finanzmittel, die sie für den Erwerb von Waren und Dienstleistungen verwenden möchten. „Sollten sie dies nicht bei Ihnen umsetzen können, werden sie es entsprechend anderswo tun.“ Die Aktion Mensch schätzt, dass die Anzahl der Personen, die im digitalen Raum auf Barrieren stoßen auf insgesamt 30 Prozent der Bevölkerung. Einige Personen sind beispielsweise mit motorischen Einschränkungen konfrontiert, haben eine Sehbehinderung oder erleben vorübergehende Einschränkungen, wie etwa einen gebrochenen Daumen. Selbst Personen, die derzeit keiner dieser Gruppen angehören, könnten möglicherweise zu einem späteren Zeitpunkt dazugehören.
Weiterhin steigt die Auffindbarkeit (SEO) bei Suchmaschinen wie beispielsweise Google an, da Google diese Seiten bevorzugt.
@Andreas Stiffel